Fabio Buschle, Sie sind seit Anfang Juni 2025 Head of Strategy & Business Opportunities bei der TRATON GROUP. Was reizt Sie an der Aufgabe?

Ich stoße in einer Phase zum Unternehmen, in der wir die größte Transformation seit der Erfindung des Diesel-Motors bei MAN gestalten dürfen. Das allein ist ein riesiger Ansporn. Darüber hinaus motiviert mich, dass wir mit dem Wandel hin zur Elektromobilität einen echten Unterschied für die Umwelt machen.

Als einer der größten Lkw-Hersteller der Welt haben wir enormen Einfluss auf die Zukunft des Transportsektors. Herausforderungen sind vor allem die weitere Durchsetzung unserer Elektrifizierungsstrategie sowie der Ausbau unserer Marktposition. Gleichzeitig müssen wir unsere Marken enger zusammenführen, um unseren Größenvorteil noch stärker zu nutzen.

Wie sieht die Elektrifizierungsstrategie von TRATON konkret aus?

Wir sind fest davon überzeugt, dass die Zukunft den batterieelektrischen Antrieben gehört. Deshalb investieren wir bis 2029 markenübergreifend mehr als 2,1 Milliarden Euro in die Elektromobilität. Unsere Elektrifizierungsstrategie setzt sich aus drei Kernelementen zusammen:

  1. Wir elektrifizieren das gesamte Produktportfolio mithilfe des TRATON Modular System, das uns eine effiziente Skalierung ermöglicht.
  2. Wir bauen ein eigenes Batterieproduktionsnetz auf, mit Produktionsstätten unter anderem in Södertälje und in Nürnberg. In Nürnberg können wir zunächst 50.000 Batteriepacks pro Jahr fertigen, genug für etwa 10.000 Schwerlast-Lkw.
  3. Wir investieren massiv in die Ladeinfrastruktur, vor allem über unser Joint Venture Milence sowie über TRATON Charging Solutions. Derzeit entsteht ein europaweites Netz mit Schnelladepunkten. 
Rund 50.000  
Batteriepacks können wir jährlich in unseren Produktionsstätten fertigen.
Porträt von Fabio Buschle mit Brille vor Holzpaneelen.
Fabio Buschle, Head of Strategy & Business Opportunities bei TRATON

Was macht Sie so sicher, dass die Zukunft den elektrischen Antrieben gehört?

Unsere Kunden müssen mit ihren Fahrzeugen Geld verdienen. Deshalb wird sich die effizienteste Technologie durchsetzen. Und diese wird für fast alle Anwendungen der batterieelektrische Lkw sein. E-Lkw sind einfacher zu warten und energieeffizienter als ihre mit Diesel oder Wasserstoff betriebenen Pendants. Wir sehen in den meisten Anwendungsfällen und Regionen bereits zeitnah Kostenvorteile für E-Lkw. Das gilt insbesondere für die Langstrecke, da hier der Energiekostenvorteil besonders stark ins Gewicht fällt.

Sauberer Wasserstoff weist eine etwa dreimal niedrigere Effizienz als direkte Elektrifizierung auf. Damit liegen die Energiekosten bei Wasserstoff auch langfristig dramatisch höher als bei sauberem Strom. Gleichzeitig schwinden etwaige „Komfortvorteile“ durch Schnellladen und bessere Batterien.

Worin bestehen in Europa momentan Ihre größten Herausforderungen bei der Transformation Richtung E-Mobilität?

Elektrische Lkw müssen rentabel und praktikabel sein. Schauen wir zunächst auf das Thema Rentabilität: Bei vielen Anwendungen besteht bereits Kostenparität mit Diesel-Lkw. Um die Nachfrage nun zu beschleunigen, brauchen wir Anreize für Transportkunden, sich für emissionsfreien Güterverkehr zu entscheiden. Das öffentliche Beschaffungswesen könnte mit gutem Beispiel vorangehen, indem es nachhaltigen Transport einkauft.

Kommen wir zum zweiten Punkt, der Praktikabilität. Hier liegen die größeren Herausforderungen. Warum? Weil die Praxistauglichkeit von elektrischen Lkw maßgeblich von der Ladeinfrastruktur abhängt. Und hier ist Luft nach oben – sowohl beim öffentlichen Schnelladen als auch beim Laden im Speditionsdepot. Mit der AFIR-Richtlinie, die bis 2030 ein Ladenetz entlang von Autobahnen und Fernverkehrsstraßen in Europa vorschreibt, sind wir zwar grundsätzlich richtig aufgestellt. Aber: Der Ausbau hängt in einigen Ländern hinterher, darunter auch in großen Staaten wie Italien und Polen. Hier sind weniger als 30 % der Ladepunkte in Betrieb, die bis 2027 von der EU vorgeschrieben sind. Die Europäische Union muss sicherstellen, dass die Ziele durchgesetzt werden. Darüber hinaus muss AFIR auf den neusten Stand der Fahrzeugentwicklung angepasst werden: Wir müssen den Fokus verstärkt auf besonders schnelles Megawatt-Laden legen.

Noch stärker verzögert sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur in den Depots. Dies liegt vor allem an schleppenden Genehmigungsverfahren und am langsamen Netzausbau. Daher fordert TRATON ein Förderprogramm für Speditionsdepots, Bürokratieabbau, aber auch dynamische Netzanschlüsse. Wir können die CO₂-Zielsetzungen nur erreichen, wenn die Infrastruktur europaweit entsprechend ausgebaut wird.

Welches ökologische Potenzial steckt in der Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs?

Lkw verursachen etwa 10 Prozent der globalen CO₂-Emissionen. In der EU sollen die Emissionen schwerer Lkw von 2019 bis 2030 um 43 % und bis 2040 um 90 % sinken. Mit der Elektrifizierung leisten wir einen großen Beitrag zur globalen Reduktion von Treibhausgasen. Umwelt und Menschen profitieren von weniger Lärm und Emissionen – ein echter Gewinn für Städte, Anwohner und Fahrer.

Und wie sieht es auf der ökonomischen Seite aus?

Die Zahlen sprechen für sich: Bis 2035 kann die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs etwa 50 Milliarden Euro Kostenvorteile pro Jahr bringen, davon etwa 10 Milliarden Euro in Europa. Mit dem elektrischen Transport sinken die Betriebskosten für Flottenbetreiber. Damit sinken auch die Transportkosten für die Industrie – und letztlich können Verbraucher profitieren.

In Summe bin ich überzeugt, dass wir in einigen Jahren beim Blick auf die Straße sagen können: Diese Lkw sind leise, sauber und von TRATON. Daran werde ich Tag für Tag arbeiten.