Hallo, Michael. Zunächst einmal: Was ist ein Software Defined Vehicle?

Ein Software Defined Vehicle nutzt Software, um wichtige Funktionen zu steuern, neue Features zu installieren und während seiner gesamten Lebensdauer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Um den Wandel von konventionellen Fahrzeugen zu SDVs zu verstehen, hilft ein Blick auf die Entwicklung des Smartphones. Bei einem iPhone zum Beispiel wird das Nutzererlebnis durch Software-Updates mit der Zeit immer besser. Das gleiche Prinzip gilt für Nutzfahrzeuge. Auch wenn sich die Hardware nicht ändert, werden die Systeme im Fahrzeug mit jedem weiteren Over-the-Air-Update intelligenter und schneller.

Mit der Entwicklung der SDVs werden Fahrzeuge zu Knotenpunkten in einem umfassenderen digitalen Ökosystem. Der Datenaustausch zwischen Kunden, Logistiksystemen, Infrastruktur und sogar Endkunden wird dadurch deutlich zunehmen. Um die Vorteile voll ausschöpfen zu können, ist eine nahtlose Interoperabilität unabdingbar – und genau daran arbeiten wir durch die Nutzung von Software. Die Bandbreite der potenziellen Anwendungsfälle ist riesig. Sie umfasst ein stärker vernetztes und integriertes Produkt im digitalen Ökosystem in Bereichen wie Aufbauhersteller, Infrastruktur, Flottenmanagement, Routenplanung und autonomes Fahren.

Fahrzeuge entwickeln sich zu intelligenten, vernetzten Plattformen.

Wie kann Software ein besseres Kundenerlebnis ermöglichen?

Die Anforderungen der Kunden werden zunehmend vielfältiger und komplexer. In der Vergangenheit konzentrierten sich die TRATON-Marken Scania, MAN, International sowie Volkswagen Truck & Bus auf die Entwicklung von Fahrzeughardware, um Mehrwert zu schaffen und die Erwartungen der Kunden zu erfüllen. In Zukunft wird der Kundennutzen jedoch immer mehr mittels Software entstehen, die eine wachsende Zahl von Anwendungen unterstützt.

So wird Software zum Beispiel immer stärker zum zentralen Bestandteil der Fahrzeugsicherheit. Die Bereitstellung fortschrittlicher Funktionen für Fahrerassistenzsysteme (ADAS) und die Einhaltung neuer Sicherheitsvorschriften hängen von robusten E/E-Architekturen und Softwareplattformen ab.

Moderne Fahrzeuge verfügen über eine große Anzahl an elektronischen Steuergeräten (ECU), die jeweils für bestimmte Funktionen zuständig sind. Durch Softwareerweiterungen können diese Steuergeräte ihre Funktionalität verbessern. Dies erfordert jedoch komplizierte Integrationen. Um diesen Prozess zu vereinfachen und das Kundenerlebnis zu verbessern, arbeitet TRATON an einer stärker zentralisierten Architektur.

Angesichts der hohen Geschwindigkeit in der Softwareentwicklung ist die Fähigkeit zu regelmäßigen Updates entscheidend. Letztlich trägt die Umstellung auf SDVs dazu bei, die Gesamtbetriebskosten zu senken – durch geringere Ausfallzeiten und effizientere Wartung sowie durch die Steigerung des Restwerts und kosteneffiziente Updates über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs.

Bedeutet dies, dass sich das Wesen von Nutzfahrzeugen verändert?

In gewisser Weise, ja. Der Automobilsektor befindet sich an einem Wendepunkt, an dem Software zu einem wichtigen Unterscheidungsmerkmal wird. Dieser Wandel wird die Produktstrategien, Geschäftsmodelle und Kundenerwartungen grundlegend verändern. 

Unternehmen, die nicht innovativ sind, können auf einem Markt, der zunehmend intelligentere, besser vernetzte und ständig aktualisierbare Fahrzeuge verlangt, leicht ins Hintertreffen geraten. Entsprechend müssen wir unsere Produkte neu betrachten. In dieser neuen Welt bauen wir nicht einfach nur Lkw – sondern anpassungsfähige Plattformen, die sich über die Zeit auf Basis von Live-Fahrzeugdaten weiterentwickeln.

Michael Skarped, Global Domain Head bei der TRATON GROUP
Quote

Langfristig wird sich in diesem Bereich das Unternehmen durchsetzen, das am schnellsten lernt – und genau hier verschafft uns der Zugang zu Daten einen starken Wettbewerbsvorteil.

Michael Skarped Global Domain Head bei TRATON GROUP Quote

Es klingt, als ob Daten eine Schlüsselrolle für den Erfolg von SDVs spielen.

Daten werden von enormer Bedeutung sein. Sie werden uns die Möglichkeit geben, schnell zu iterieren, indem wir Software auf der Grundlage realer Daten entwickeln, testen, ausrollen und verbessern.

Ich komme nochmal auf Fahrerassistenzsysteme zurück: Eine Funktion wie Fußgängererkennung können wir parallel zum bestehenden System in einer Testflotte einführen. Durch den Vergleich der Ergebnisse und die Einspeisung der Daten in die Entwicklung kann TRATON die Funktionalität schnell verbessern. Dieser Ansatz trägt dazu bei, die Entwicklungszyklen zu verkürzen und bessere Produkte schneller und kostengünstiger zu liefern. Langfristig wird sich in diesem Bereich das Unternehmen durchsetzen, das am schnellsten lernt – und genau hier verschafft uns der Zugang zu Daten einen starken Wettbewerbsvorteil.

Wie positioniert sich TRATON, um auf dem Markt für Software Defined Vehicles erfolgreich zu sein?

TRATON verfügt über eine starke technische Basis im Softwarebereich und investiert weiterhin erheblich in interne Kompetenzen – etwa durch den Einsatz Cloud-nativer Anwendungen und den Übergang von traditionellen Echtzeitsystemen zu servicebasierten Architekturen und modernen Entwicklungsmethoden. All dies ermöglicht uns, auch in den kommenden Jahren technologisch führend zu sein.

Dennoch: Umfang und Komplexität des Wandels machen Kooperation unerlässlich. Durch die Partnerschaft mit einem Unternehmen wie Applied Intuition können wir auf erstklassiges Software-Know-how und Erfahrung aus anderen Branchen zurückgreifen und so unsere Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Gleichzeitig können wir durch diesen Ansatz Investitionen bündeln und Innovationen noch effektiver vorantreiben.